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thema Raumfahrt
Raumfahrt tut not!
von Hajo F. Breuer
"Seefahrt tut not!" schrieb dereinst Gorch Fock, der Namenspatron des Segelschulschiffs
der Bundesmarine, und er hatte völlig recht. Gorch Fock war ein Visionär,
der klar erkannt hatte, daß kein Land ohne eine Vision zu gedeihen
vermag - eine Vision, die über seine engen Grenzen hinausgreift.
In der Zukunft Ren Dharks sind die Ländergrenzen abgeschafft, und unser
aller Land heißt Terra. In diesem fiktiven Terra der Zukunft gibt es starke
Kräfte, die eine Beschränkung der knappen Staatsfinanzen auf Terra
selbst befürworten und am liebsten die terranische Raumflotte ganz abschaffen
würden, weil sie in ihren Augen unnütz Geld verschlingt. (Daß sich
diese Kräfte durchsetzen, muß man zum Glück nicht befürchten,
denn der Verfasser dieser Zeilen hat ja einen gewissen Einfluß auf die
Entwicklung der fiktiven Zukunft des Ren Dhark-Universums, und eine solche
Entwicklung würde ihn mehr oder weniger arbeitslos machen.)
Die ganze Problematik hat einen durchaus realen Kern. In der Gegenwart unserer
wirklichen Welt können sich die der Raumfahrt abgeneigten Kräfte mit
dem Hinweis auf die hohen Kosten leider wesentlich besser durchsetzen. Amerikaner
und Europäer beschneiden ihre Raumfahrtprogramme, die Japaner haben mit
dem Verlust zweier moderner Satelliten schon beim Start gerade einen herben Rückschlag
erlitten, die Russen spielen kaum noch eine Rolle, und die Chinesen wiederholen
mit Kapseln, zurückgehend auf die russische Sojus aus den 60er-Jahren,
nur Erfahrungen, die in anderen Staaten längst gemacht wurden. Die Menschheit
bringt das nicht weiter. "Wozu auch?" könnte man einwerfen, denn Rettungsaktionen
im Weltall wie bei Ren Dhark, wo mal so eben gigantische Schwarze Löcher
manipuliert werden müssen, um die Galaxis vor dem Untergang zu bewahren,
sind doch nichts als die Hirngespinste phantasiebegabter Autoren. Das ist wahr.
Trotzdem drohen uns aus dem Universum Gefahren, der sich die meisten Menschen
leider nicht bewußt sind. Das Weltall und mit ihm unsere Milchstraße
ist eben nicht "festgemauert in der Erden", sondern ein höchst dynamisches
System. Das kommt uns nur deswegen nicht so vor, weil wir so kurzlebig sind.
Doch wir dürfen unsere menschlichen Maßstäbe nicht an das Universum
anlegen.
Als die alten Ägypter das für Horoskope noch heute gebräuchliche
System der Sternbilder entwickelten, hatten die Sterne noch einen ganz anderen
Platz am Himmel. Inzwischen haben sie sich deutlich verschoben - das heutige
Sternbild Schütze ist ein völlig anderes als das, was die Pharaonen
sahen. (Nebenbei bemerkt: Allein deswegen kann die Sterndeuterei schon nicht
funktionieren.) Wenn man die Geschichte der Erde in einen Tag pressen würde,
wären die ersten Dinosaurier gegen 23 Uhr aufgetaucht und um 23.40 Uhr wieder
ausgestorben. Erste Vorformen des Menschen tauchten erst 36 Sekunden vor Mitternacht
auf, und der Beginn der aufgezeichneten Geschichte datierte auf zwei Zehntelsekunden
vor dem Ende des Tages. Das Universum hingegen bestand schon gut zwei Tage, als
die Erde sich aus einer rotierenden Gas- und Staubscheibe bildete. Ein flüchtiger
Betrachter des Universums würde uns also höchstwahrscheinlich übersehen
- und in wenigen Sekunden schon kann alles vorbei sein.
Neue Erkenntnisse der Astronomie haben gezeigt, daß die Erde in einer Art
Lokalem Kamin liegt, einem schlauchförmigen Gebilde, das bis in den Halo
der Galaxis reicht. In diesem Lokalen Kamin gibt es nur sehr wenig interstellare
Materie (Gas, Staub) und Strahlung. Entstanden ist er wohl durch die Explosion
einer Reihe von Supernovae, die das Weltall regelrecht leer fegten und so die
Umweltbedingungen schufen, die Leben im Sonnensystem ermöglichten.
Nun hat man allerdings festgestellt, daß eine Wolke dichter interstellarer
Materie genau in Richtung Sonnensystem unterwegs ist und uns in "nur" 50.000
Jahren erreichen wird. Sie ist vermutlich so dicht, daß sie den Strahlungsdruck
der Sonne überwindet und für höchst ungemütliche Umweltbedingungen
in unserem System sorgen wird. Vor allem das Bombardement mit interstellarer
Strahlung dürfte äußerst unangenehm werden.
Zugegeben, keiner von uns wird das noch erleben. Aber als einzige Spezies auf
diesem Planeten, die in die Zukunft blickend planen kann, schulden wir es unseren
Nachkommen, uns jetzt schon Gedanken zu machen. Man kann es drehen und wenden,
wie man will: Wenn die Menschheit die nächsten Sekunden des kommenden galaktischen
Tages überleben will, muß sie nicht nur die Grenzen der Erde überwinden,
sondern die des Sonnensystems. Der Tag, an dem unser Planet durch von uns nicht
zu beeinflussende Faktoren unbewohnbar wird, ist näher, als wir bisher geglaubt
haben. Überleben kann die Menschheit nur, wenn sie sich zu Bewohnern des
Sternenhimmels emporschwingt.
Und was machen wir? Wir kürzen die Ausgaben für Raumfahrt.
Da wir wohl nicht darauf hoffen dürfen, wie Ren Dhark die überlegene
Technologie einer außerirdischen Spezies zu entdecken (und auch dafür
mußte er erst einmal das Sonnensystem verlassen!), sollten wir uns auf
unsere eigene Kraft besinnen und endlich bereit sein, mehr Geld für die
einzige Technologie auszugeben, die auf Dauer unser Überleben sichern kann.
Oder wie Gorch Fock es heute sicher formulieren würde: "Raumfahrt tut not!" |