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thema Bio
Natur statt Technik
von Hajo F. Breuer
Die kulturelle Entwicklung des Menschen begann, als er Dinge, die er in
seiner natürlichen Umgebung fand, als Werkzeuge einzusetzen vermochte:
Stöcke, Knochen, Steine. Das machen allerdings auch manche Tiere,
etwa Schimpansen oder Fischotter. Der größte Schritt war vollzogen,
als die Urmenschen diese Fundstücke nach ihren Wünschen und Ideen
zu bearbeiten begannen. Aus einfachen Steinen wurden Faustkeile, aus Stöcken
im Feuer gehärtete Speere und aus Tierhäuten gegerbte Pelze,
die wunderbar wärmten.
Diesen Weg hat der Mensch konsequent weiter beschritten. Noch heute suchen wir
die Phänomene der Natur zu ergründen, um sie dann umzuformen und für
unsere Zwecke nutzbar zu machen. Dabei entfernen wir uns aber konsequent von
unseren Wurzeln. Ein Leben in echter Naturverbundenheit ist für die meisten
von uns unvorstellbar.
Ein gewaltiger technologischer Sprung war sicher die Entdeckung der Metalle und
ihrer Bearbeitung. Ohne Bronze, Eisen und Stahl wären wir nicht das, was
wir heute sind. Mittlerweile wurde Sand zum wichtigsten Werkstoff der Menschheit.
Aus ihm gewinnen wir das Silizium für die Herstellung unserer Computerchips.
Da auch Science-fiction-Autoren nur Menschen sind, kreisen ihre Träume von
zukünftigen Technologien in aller Regel um eine Extrapolation dessen, was
es heute schon gibt. Die herkömmliche "Hard-SF" versucht eben, sich auszudenken,
wie die menschliche Technologie in zehn, hundert oder tausend Jahren aussehen
könnte. Dabei ist die Wirklichkeit manchmal noch schneller als die Träume
der Autoren.
Nur eine kleine Zahl Außenseiter beschreitet gedanklich einen anderen Weg.
Einige SF-Schreiber sehen die Zukunft eher biologisch als technisch geprägt,
können sich sogar organische Raumschiffe vorstellen, die zwischen den Planeten
verkehren.
Warum auch nicht?
Wir Menschen sind von unserer eigenen Natur dergestalt geprägt, daß wir
nach technischen Lösungen suchen. Offenbar haben wir eine Begabung für
Technologie. Wer aber sagt uns, daß das auf allen anderen bewohnten Welten
des Universums ebenfalls so sein muß? Stellen wir uns doch nur mal rein
theoretisch ein Volk wie die Gorm vor, dessen Begabung im Umgang mit der Natur
liegt. Ein Mensch, der einen Fluß überqueren will, konstruiert eine
Brücke oder ein Boot. Ein Gorm würde versuchen, eine Pflanze so zu
beeinflussen, daß sie möglichst rasch über das Wasser wächst,
oder ein Tier zu züchten, das ihn hinüberträgt.
Unmöglich ist so etwas nicht, wie uns unsere ersten eigenen, noch zaghaften
Gehversuche auf dem Gebiet der Genmanipulation zeigen. So selbstverständlich,
wie wir ein Problem mit einer Konstruktionszeichnung zu lösen versuchen,
so selbstverständlich würden die Gorm einen genetischen Lösungsweg
suchen.
Und es könnte durchaus möglich sein, daß unser "Weg des Metalls" sich
als der falsche erweist. Das Leben ist meist widerstandsfähiger als die
beste menschliche Konstruktion. Es gibt Bakterien, die selbst bei einer Kälte
noch überleben, bei der bester Stahl spröde wird wie Glas. Und es gibt
andere, die für uns unerträglich hohe Temperaturen geradezu genießen.
Ein biologisches Raumschiff mit einer Hülle aus organischem Material könnte
die Temperaturunterschiede zwischen dem kalten Schlagschatten und der von der
Sonne beschienenen "heißen" Seite vermutlich viel besser ausgleichen als
selbst unsere modernsten Raumsonden.
Das bedeutet nicht zwangsläufig, daß sich die Menschheit auf einem
technologischen Irrweg befindet. Wir befinden uns auf unserem Weg in
die Zukunft. Aber es mag noch andere Wege geben, die ganz anders aussehen. Das
ist ja das Schöne an der Science-fiction: Man kann hemmungslos spekulieren
und sich Wunder ausdenken, denen wir im realen Leben wahrscheinlich niemals begegnen
werden.
Oder doch? Theoretisch könnte unsere reale Zukunft eine Mischung werden
aus technologischem und biologischem Fortschritt. Immerhin gibt es momentan vielversprechende
Experimente zur Vernetzung moderner Computer mit lebenden Nervenzellen. Ob daraus
wirklich einmal ein "Bio-Computer" wird, vermag heute noch niemand abzusehen.
Und auch bei den Werkstoffen scheint alles im Wandel zu sein. Stahl wird immer
unwichtiger, Kohlefaser ist auf dem Vormarsch. Und deren wichtigster Bestandteil
ist nun einmal der Kohlenstoff, die Grundlage aller Biochemie. |