Ren Dhark
     
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Classic-Zyklus - Band 11
Wunder des blauen Planeten (2)

Erster TeilZweiter Teil


Licht flutete aus allen Wänden. Grelles, grünes Licht, und in diesem grünen Licht standen Riesen vor ihnen - mehr als drei Meter groß, breitschultrig, von humanoider Gestalt; nur der Kopf war nicht menschlich. Grau die lederartige Haut der sechsfingrigen Hände, grau das Gesicht. Aber was für ein Gesicht...! Im oberen Drittel zog sich unter der leicht schillernden Glatze ein Facettenkranz über die vordere Hälfte herum. Eine Handbreit darunter befanden sich in gleichbleibendem Abstand fingerlange ovale Öffnungen. Sollte das die Nase sein? Und der Mund? Es gab ihn gleich viermal. Er befand sich dort, wo bei Menschen die Kinnspitze war - ein lippenloser, schmaler Strich, der im grellen, grüngetönten Licht leicht bläulich schimmerte.
Der Kopf erinnerte an eine überdimensionierte Birne, die man mit dem Stielende auf einen klobigen Körper gestellt hatte. Die graue Lederhaut saß völlig straff, schien weder Falten noch Poren aufzuweisen; sie zeigte auch keine Bewegung, als das Wesen, das sich in der Mitte der siebenköpfigen Gruppe befand, den Mund öffnete, der den Terranern zugewandt war, und sagte: »Rateka, wrass songna bal dorin ka do!«
Es klang rauh, tief und befehlend. Im Kranz der Facettenaugen glühten Lichter in vielen Farben auf. Das fremde Wesen im hellgrauen Overall, der viel zu weit wirkte und in hundert Falten um den Riesenkörper hing, winkelte schenkeldicke Arme an, kreuzte sie vor der breiten Brust und trat auf Ren Dhark zu, der einen Schritt vor seinen Begleitern stand.
»Ich verstehe Sie nicht!« erwiderte Dhark, der nicht einmal mit der Wimper zuckte, als der Riese dicht vor ihm halt machte.
»Rateka, ronn sgi do angnokar?« Viel zu laut sprach der Riese. Seine Stimme dröhnte durch die Schleuse, die zwanzig Meter tief und ebenso hoch war.
»Ich kann Sie nicht verstehen. Ich beherrsche Ihre Sprache nicht!« erwiderte Dhark mit fester Stimme, ohne die Lautstärke zu verändern.
Ren Dhark, Bulton und die Cyborgs verbargen ihr Erstaunen, als sich das obere Drittel des Kopfes über den Kranz aus Facettenaugen schob und ihn verdeckte. Hatte dieser Riese jetzt das getan, was man bei einem Menschen als Schließen der Augen bezeichnet hätte?
Im nächsten Moment sprach der Fremde mit dem Mund, der sich in seinem >Nacken< befand. Scharf und rauh klang seine Stimme.
In einen der übrigen Riesen kam Bewegung. Mit gewaltigen Schritten eilte er in den Hintergrund der Schleuse, kehrte jedoch gleich darauf zurück, einen vielleicht 30 mal 30 Zentimeter messenden, quadratischen Kasten vor der Brust. Hände, die rechts und links je einen Daumen und vier gleichlange nagellose Finger besaßen, glitten über Sensortasten und Schieberegler. Ein Summen klang auf, dann ein Brummton, der schnell nachließ. Schließlich schien der Riese zufrieden zu sein und reichte das Gerät mit einer angedeuteten Verbeugung dem Sprecher. Der nahm es entgegen und scheuchte seinen Untergebenen mit einer herrischen Handbewegung zur Seite.
Ren Dharks Gesicht zeigte nichts von dem, was er dachte. Er war auf der Hut. Diese Riesen gefielen ihm nicht. Sie waren als ungebetene Gäste gekommen, und sie benahmen sich in einer Art und Weise, die für die Zukunft nichts Gutes ahnen ließ.
Der mittlere Riese hatte sich das Gerät umgehängt und nochmals einige Tasten angetippt. Der Glatzenteil seines Birnenkopfes bewegte sich nach oben. Der Ring aus Facettenaugen lag wieder frei. Wieso hat er dann sehen können, daß der andere ihm das Gerät übergeben wollte? fragte sich Dhark unwillkürlich.
Die Stimme des Riesen war wieder zu hören. Worte in einer unbekannten Sprache. Doch noch während er sprach, klang eine metallisch klingende Stimme auf, die das Terranische verwendete: »Rateka, Singu der Rateken, wird den Schutz dieses Planeten übernehmen und verlangt als Tribut die Waffe, mit der das Urk aus dem anderen Gefüge verjagt werden kann.«
Bei dem Kasten mußte es sich um ein Übersetzungsgerät, einen Translator, handeln! Ren Dhark verspürte plötzlich keine Nervosität mehr. Jetzt wußte er, warum die Erde diesen unerwünschten Besuch bekommen hatte.
Er ahmte die Haltung Ratekas nach, der sich als Singu der Rateken bezeichnet hatte und damit wahrscheinlich auf seinen Titel oder seine Stellung hinweisen wollte.
»Mein Name ist Ren Dhark«, sagte der Commander der Planeten bescheiden, »und im Namen dieses Planeten heiße ich Sie willkommen.«
Rateka brüllte ihn an. Farbige Lichter huschten über den Facettenring. Der Translator übernahm die Lautstärke, und Dhark wurde mit den Worten angefahren: »Weißt du nicht, wie man dem Singu der Rateken zu antworten hat?«
Hinter dem Rücken des Commanders flüsterte Marschall Bulton: »Genauso habe ich mir diese Begegnung vorgestellt.«
Unbemerkt von den Riesen kontrollierten die beiden Cyborgs, ob ihre Viphos noch klar und nicht durch einen technischen Trick der Rateken ausgeschaltet worden waren.
Ren Dhark dachte nicht daran, auf einen groben Klotz einen groben Keil zu setzen. Sein ganzes Interesse galt dem Ziel, diese Begegnung friedlich verlaufen zu lassen. Aber er sah es als einen psychologischen Fehler an, sich dem herrischen Verlangen dieses Rateka zu unterwerfen.
Jetzt verwendete auch er das Du. »Rateka, du befindest dich auf einer Welt, die deines Schutzes weder bedarf, noch dir Tribute...«
Der Translator hatte erst die Hälfte seines Satzes in die Sprache der Rateken übertragen, als die sechsfingrigen Pranken des Riesen vorzuckten, als ob sie nach Ren Dhark greifen wollten.
Zwei Cyborgs standen plötzlich einen Schritt vor dem Commander, und der Riese führte die Bewegung nicht zu Ende.
Ein wütendes Grollen dröhnte durch die Schleuse. Zwei der Rateken im Hintergrund wollten sich auf die Cyborgs stürzen, doch eine knappe Handbewegung ihres Anführers hielt sie zurück. Für einen Moment schien die Zeit stillzustehen; langsam und gemächlich stemmte Rateka die Pranken in die Hüften, knickte leicht nach hinten ab - und dann rollten dumpf glucksende Laute durch die Schleuse.
Konnte ein Rateke lachen?
»Ihr habt Mut, Zwerge von Terra, aber Mut allein wird euch nicht helfen - schon gar nicht in der Zeit der wrossna!« Die metallisch klingende Stimme war immer noch viel zu laut. Ren Dhark ließ sich nicht beeindrucken. Sein ganzes Sinnen und Trachten galt der Möglichkeit, mit diesem Riesen zu einer friedlichen Einigung zu kommen. Die Überheblichkeit der Fremden machte seine Aufgabe nicht leichter, aber auch nicht unmöglich.
Er winkte Sass und Yello zurück und warf Bulton einen aufmunternden Blick zu. Schweißtropfen glitzerten auf der Stirn des Marschalls, seine Fingerspitzen schwebten nur Zentimeter über den Blasterkolben. Ren Dhark schüttelte unmerklich den Kopf, dann wandte er sich wieder an den Riesen.
»Es gibt keinen Grund für Streitigkeiten, Rateka. Terra benötigt den Schutz des Singu der Rateken und seines Volkes nicht. Doch wir sind jederzeit dazu bereit, diplomatische Beziehungen mit dem Volk der Rateken aufzunehmen, und ich bin sicher, daß unsere beiden Völker...«
Wieder ließ Rateka ihn nicht ausreden. »Ich höre deine Worte, Dhark, doch sie bedeuten mir nicht mehr als das Plappern der Qarrn in der Abenddämmerung.« Die metallische Stimme schien mit jedem Wort lauter und drohender zu werden. »Dhark, ich stelle diesem Planeten ein Ultimatum. In unserem Heimatsystem sind acht Fados unserer Flotte in Bereitschaft. Du hast eine Frist von zwei Normstunden deiner Zeitrechnung. Bist du bis dahin nicht bereit, mir die Waffe auszuhändigen, mit der man das Urk vertreiben kann, werde ich die Schiffe rufen, und sie werden eine zweite Sonne aus dieser Welt machen!«
Ren Dhark zuckte mit keiner Wimper. »Du hast vergessen, daß du dich mit deinem Schiff auf einer fremden Welt befindest.«
»Nichts wird mich hindern, diesen Raumhafen zu verlassen, wann immer ich es will. Keine Macht kann dich aus meinem Schiff holen. Vergiß nicht, daß nach Ablauf der Frist acht Fados - das sind mehr als 8000 Raumschiffe - aufbrechen werden, um aus deiner Heimatwelt eine Sonne zu machen. Mehr habe ich dir nicht zu sagen.«
Mit diesen Worten verließen alle Rateken die Schleuse durch ein an der Stirnwand gelegenes Schott.
Marschall Bulton schätzte ihre Lage vollkommen falsch ein. »Dieser Rateke ist größenwahnsinnig, Commander.«
Dhark hielt ihm sein Spezial-Vipho hin. Es arbeitete nicht mehr, genau wie die Geräte der anderen. Es gab keine Verbindung mit Cent Field und Alamo Gordo mehr. Die Rateken hatten sie durch einen technischen Kunstgriff unterbrochen.



Wie ein gereizter Tiger marschierte Dan Riker in der Kommandozentrale der POINT OF auf und ab. Seit mehr als einer halben Stunde war die Verbindung zu Ren Dhark, Marschall Bulton und den beiden Cyborgs abgerissen. Immer wieder wanderten Rikers Blicke zu den Bildschirmen, die den Doppelwulstraumer zeigten, der friedlich und unbehelligt im Licht der Sonne auf seinem Landeplatz stand. Der Anblick schien ihn zu verhöhnen. Riker hätte das Raumschiff am liebsten mit der POINT OF angegriffen, doch Arc Doorn hatte ihm diese Schnapsidee - wie er sie in seiner respektlosen Weise genannt hatte - ausgeredet.
»Warum mit dem großen Hammer zuschlagen, wenn es Nadelstiche genausogut tun, Riker«, hatte er gesagt, »ganz zu schweigen von der Gefahr, die ein Angriff mit dem Ringraumer für den Commander und seine Begleiter bedeuten könnte. Ich habe noch ein paar Cyborgs mehr angefordert; sie müßten bald hier sein - und dann können wir uns etwas überlegen.«
Doch die Zeit bis zum Eintreffen der galaktischen Feuerwehr verstrich quälend langsam...


Seit knapp einer Stunde waren Ren Dhark und seine Begleiter in der für menschliche Begriffe viel zu großen Schleuse des Doppelwulst-Raumers sich selbst überlassen. Der Commander war davon überzeugt, daß die Rateken sie beobachteten, und er hatte mehrfach laut zu ihren unsichtbaren >Gastgebern< gesprochen und Rateka aufgefordert, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Doch es war nichts geschehen.
Fragende Blicke der beiden Cyborgs, die sich gewaltsam Zugang ins Innere des Raumers verschaffen wollten, hatte er mit einem abschlägigen Kopfschütteln beschieden. Dhark wollte die Situation nicht noch weiter verkomplizieren - und er war sich sicher, daß Arc Doorn und Dan Riker etwas unternehmen würden. Gerade die Tatsache, daß anscheinend nichts geschah, bestärkte ihn in dieser Überzeugung.
Während die Cyborgs eine stoische Ruhe zeigten und es sich mittlerweile auf dem Boden der Schleuse bequem gemacht hatten, wanderte Marschall Bulton unruhig auf und ab. Er war noch immer hochgradig nervös und schwitzte stark.
»All die Jahre hinter dem Schreibtisch haben anscheinend meinem Nervenkostüm geschadet«, meinte er entschuldigend zu Ren Dhark, als er wieder einmal am Commander vorbeistapfte.
Ren Dhark setzte zu einer Antwort an - doch in diesem Moment schob sich ein stumpfnasiger Zylinder durch das geschlossene äußere Schleusenschott! Ein Flash!
Fast gleichzeitig wummerte ein tiefer, schmerzhaft lauter Ton, der den Terranern bis in den Magen fuhr, durch die Schleuse.
»Die Sirenen unserer neuen Freunde passen zu ihrem sonstigen Auftreten«, murmelte Ren Dhark halblaut und verzog gequält das Gesicht, als die Lautstärke noch zunahm.
Der Flash befand sich kaum zur Gänze innerhalb der Schleuse, als das innere Schleusenschott aufsprang und eine Horde Rateken hereinstürmte. In ihren gewaltigen Pranken trugen sie klobige, aber nichtsdestotrotz bedrohlich wirkende Strahlwaffen.
Ren Dhark wußte, daß er jetzt handeln mußte, wenn aus dieser Situation nicht ein Krieg zwischen den Terranern und den birnenköpfigen Riesen erwachsen sollte. Entschlossen trat er den Rateken entgegen.
Bram Sass und Jes Yello waren blitzschnell aufgesprungen und flankierten ihn auf beiden Seiten.
Marschall Bulton stand wie vom Blitz getroffen und starrte auf das Szenario, das sich ihm bot. Hier Ren Dhark und die beiden Cyborgs, zwergenhaft klein gegenüber den anstürmenden Rateken. Hinter ihnen der in doppelter Mannshöhe schwebende Flash. Dort die Rateken, deren Aufmarsch jetzt allerdings ins Stocken zu geraten schien, als Ren Dhark weit die Arme ausbreitete und »Stop!« brüllte. Zumindest vermutete Bulton, daß Dhark etwas Derartiges rief; verstehen konnte der Marschall angesichts der immer noch wummernden Sirenen nichts.
Die Rateken blieben jetzt endgültig stehen, und während das Dröhnen der Sirenen in einem letzten Winseln erstarb, traten sie beiseite und bildeten eine Gasse, um Rateka durchzulassen.
Laut und grollend rollten die Laute der fremdartigen ratekischen Sprache durch die Schleuse, und Augenblicke später ertönte es aus dem Translator: »Dhark! Ich verlange, daß Sie Ihren Leuten sofort befehlen, ihre Aktion abzubrechen. Schon jetzt hat dieses Raumschiff Beschädigungen erlitten, und...«
Diesmal ließ Ren Dhark den Rateken nicht ausreden. Doch er hatte auch registriert, daß der Singu zwar immer noch viel zu laut brüllte, sein Tonfall jedoch trotzdem höflicher geworden war.
»Das kann ich erst, wenn Sie damit aufhören, unsere Funkgeräte zu stören, Rateka«.
»Das ist schon längst geschehen!«
Ein schneller Blick auf sein Vipho zeigte Ren Dhark, daß der Rateke nicht gelogen hatte. »Dhark hier«, sagte er. »An die eingeflogenen Flash-Piloten: Brechen Sie die Aktion ab. Fliegen Sie wieder aus und bleiben Sie außerhalb des Raumschiffs in Bereitschaft. - Und versuchen Sie, das Ausmaß der Zerstörungen beim Ausfliegen gering zu halten«, fügte er nach kurzem Zögern hinzu.
Auf dem kleinen Vipho-Bildschirm erschien das Gesicht von Jan Burton. Der Logistiker unter den Cyborgs blickte Ren Dhark nachdenklich an.
»Commander, ich befinde mich mit der 009 hier in der Schleuse. Sollte nicht ich zumindest...«
»Der Befehl gilt auch für Sie, Burton«, unterbrach ihn Dhark. »Fliegen Sie aus, und warten Sie draußen!«
Fast lautlos schwebte der Flash durch das noch immer geschlossene äußere Schleusenschott wieder hinaus.
Ren Dhark richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Anführer der Riesen.
»Ich hoffe, daß wir jetzt endlich wie zwei vernunftbegabte intelligente Wesen miteinander verhandeln können, Rateka.«
 
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